"Das krieg ich woanders immer ohne Rezept !"
Nicht bei uns, denn Ihre Gesundheit und die Gesundheit Ihres Tieres ist uns wichtiger als Ihr Geld !
Die Abgabe von Tierarzneimitteln durch den Tierarzt unterliegt strengen, und recht speziellen gesetzlichen Regelungen (dem Arzneimittelgesetz sowie der ›Verordnung über tierärztliche Hausapotheken‹). Da diese vielen Tierbesitzern nicht bekannt sind, stößt die ablehnende Antwort auf Fragen wie: »Kann ich bitte einfach nur eine Wurmkur bei Ihnen kaufen?« oder »Können Sie bitte ein Rezept für das Medikament XY ausstellen?« oft auf Unverständnis und manchmal auch Verärgerung, weshalb hier darauf genauer eingegangen werden soll.
Das tierärztliche Dispensierrecht ist als Ausnahme vom Apothekenmonopol eine sehr sensible Sonderregelung. Sie erlaubt dem Tierarzt die Lagerung und Abgabe von Arzneimitteln für Tiere, die sich in seiner Betreuung befinden. Eine Abgabe oder Verschreibung darf also nur aufgrund einer erfolgten Untersuchung bzw. aufgrund des festgestellten Gesundheitszustandes des betreffenden Tieres oder Tierbestandes erfolgen. Außerdem obliegt dem Tierarzt die Kontrolle der Anwendung und des Erfolges. Dies bezieht sich nicht nur auf verschreibungspflichtige Medikamente, sondern auch auf nicht verschreibungs- sondern nur apothekenpflichtige Medikamente.
Etwas einfacher erläutert:
Verschreibungspflichtig sind Medikamente mit tiefgreifenden Wirkungen, aber möglicherweise auch Nebenwirkungen, wie z.B. Antibiotika, Schmerzmittel, Herzmedikamente, ein Großteil der Augenmedikamente u.a. Die Verschreibungspflicht stellt, wie auch in der Humanmedizin, sicher, dass die Verordnung nur nach ärztlicher Untersuchung und Diagnosestellung erfolgen kann. Nur der Tierarzt kann entscheiden, ob, in welcher Dosierung, wie lange, und welches Medikament genau für den individuellen Fall angezeigt ist. Er kennt mögliche Nebenwirkungen und bestellt den Patienten zur Nachkontrolle ein, sei es bei akuten Erkrankungen im Abstand von einigen Tagen, oder in längeren Intervallen z.B. bei chronisch herz- oder leberkranken Patienten.
Apothekenpflichtig sind beinahe alle Medikamente, auch die nicht verschreibungspflichtigen. Aber auch hier ist der Tierarzt mit der Sonderstellung seiner Hausapotheke an die Tatsache gebunden, dass er sie nur an von ihm betreute Tiere abgeben darf. Das führt zu der leicht paradoxen Situation, dass Ihnen ein Apotheker einige Tierarzneimittel, nämlich die nicht verschreibungspflichtigen, frei verkaufen darf, ohne das Tier je gesehen zu haben (und meist auch ohne spezielles Wissen um Tierkrankheiten und deren Behandlung), der Tierarzt jedoch nur, wenn sich das betreffende Tier auch in seiner Behandlung befindet. Dies betrifft zwar größtenteils nur Antiparasitika wie Floh-, Zecken-, und Wurmmittel, führt aber immer wieder zu verzweifelten Aussagen in der Sprechstunde wie z.B: »Ich habe meine Katze schon viermal entwurmt, aber sie hat immer noch Würmer.« Danach stellt sich heraus, dass die Katze Bandwürmer hat, die freiverkäufliche ›Wurmpaste‹, aber nur gegen Rundwürmer wirkt. Oder daß das tränende Auge, das in Eigenregie wochenlang erfolglos mit Augentropfen behandelt wurde, nicht wegen einer Bindehautentzündung, sondern wegen eines Fremdkörpers oder einer vereiterten Zahnwurzel tränt.
Humanmedikamente für Tiere sind ein weiteres heikles Thema. Auch wenn es häufig humanmedizinische Medikamente mit gleichem Wirkstoff gibt, die billiger sind, ist es verboten, selbige für Tiere abzugeben oder zu verschreiben, wenn ein zugelassenes tiermedizinisches Äquivalent existiert. Welche Gründe der Gesetzgeber hierfür auch sieht, jeder Tierarzt (und im übrigen auch jeder Apotheker), der dies missachtet, macht sich strafbar. Ein Grund mag sein, dass der Anreiz für Forschung und Entwicklung für die Pharmaindustrie auch auf dem Sektor der Tierarzneimittel erhalten bleiben soll.
Eine noch viel größere Gefahr für den tierischen Patienten birgt die Anwendung von humanmedizinischen, eigenen Medikamenten in unkritischer Übertragung. Schlussfolgerungen wie »Die Tabletten helfen Oma doch so gut gegen ihr Rheuma, dann werden sie auch Struppi helfen« kann Struppi das Leben kosten. Manchmal sind Tiere zwar auch nur Menschen, aber eben nicht immer.
Vielleicht helfen diese Ausführungen ein wenig dem besseren Verständnis, wie es zu eingangs genannten Unstimmigkeiten kommt. Selbst wenn man über den Sinn gesetzlicher Regelungen ewig diskutieren kann, es müssen sich alle Beteiligten daran halten. Mit Zuwiderhandlungen (wie z.B. bei Arzneimittelskandalen in der Landwirtschaft) gefährdet man nicht zuletzt auch das tierärztliche Dispensierrecht (das Recht zum Führen der tierärztlichen Hausapotheke), welches auch dem Tierbesitzer Vorteile bringt: kompetente Beratung, individuelle Betreuung des Patienten, Medikamentenerhalt ohne Umwege, und durch die erlaubte Teilmengenabgabe aus Packungen heraus auch einen finanziellen.